Sindelfingen die »kleine Großstadt an der Kreuzung«,
in der die Premium Cars der Welt entstehen,
in der die IT Branche des digitalen Zeitalters heimisch ist.
Kunst im »Weltstadt«-Ambiente, öffentlich gemieden,
ohne angemessene Infrastruktur,
ohne Institution, ohne Budgetierung,
ohne Sammlung, ohne großen Publikumsverein.
Was tun, als mit wenigen lokalen Entscheidungsträgern
eine Initiative gründen?
KUNST+PROJEKTE Sindelfingen e. V.,
ein Aufbruch, 25 Jahre zeitgenössische internationale
Kunst in dieser Stadt, mit Zuspruch
eingeladener Künstler*innen, streitbar, konstruktiv,
im Fokus Konzeptkunst und Neue Medien.
Projekte im Stadtraum und später
auch mit der städtischen Galerie im intensiven
kunstpädagogischen Zugriff.
Jedes Projekt fast immer mit Küntler*innen
aus drei Generationen, wie auch die Beilagen
zu diesem Kompendium:
Franz Erhard Walther – Zeichnung zum
BOOK OF THE COMMON, 2018
Thomas Ruff – Saturn, Skizze 2017
Johannes Wald – Untitled (Forms in the Realm
of the Mind), 2018
BOOK OF THE COMMON
ZEITKAPSEL 1989 → 2016 → ∞ - KunstBuch mit Künstlereditonen
1965 hat der Semiotiker Umberto Eco den Begriff des offenen Kunstwerks geprägt. Ein künstlerisches Konzept, das auf Strukturen/ Zeichenformationen referiert, wie explizit in der Minimal Art und in Folge der Konzeptkunst ausgeformt. Die Geschichten entwickeln sich, indem die Rezipienten vor dem Hintergrund ihrer je spezifischen Kultur die minimalen Gesten in eigener Wahrnehmung mit Leben füllen.
Ich liebe das Buch. (Bücher speichern seit Jahrhunderten kulturelles Wissen und Wahrnehmung in Wort und Bild, in Sindelfingen, Erinnerung an die einstige Hochkultur des Chorherrenstifts. Mit der Erfindung des Buchdrucks verließ das Buch die herrschaftlichen Schreibstuben des Stifts und wurde Allgemeingut in der neugegründeten Universität Tübingen).
Im kommunikativen Umgang mit den Neuen Digitalen Medien und in Folge der Veränderung der Wahrnehmung war die brennende Frage: Wie können wir das Wissen und die Wahrnehmung der über 25 jährigen Aktivitäten von KUNST+PROJEKTE Sindelfingen e. V. als Buch gestalten? Wie die unterschiedlichen Positionen zeitgenössischer Kunst in den Einzelausstellungen der frühen Jahre mit persönlichen Eindrücken und umfangreichen lokalen Presseberichten und später die Zusammensicht und das Beziehungsgeflecht in den Gruppenausstellungen angemessen darstellen? Wie die Schönheit der Kunstwerke selbst in das Buch einfließen lassen.
Entstanden ist ein KunstBuch bestehend aus vielen Einzelteilen in fester Hülle (mit Magnetverschluß):
Kleine LeseHefte (1989-2003),
KatalogPlakate, DIN A1 gefaltet im Leporello (2004-2016, deutsch/englisch),
Handbüchlein mit Briefen/Essays,
Arbeiten von Franz Erhard Walther, Thomas Ruff, Johannes Wald gestaltet für das BOOK OF THE COMMON.
malerisch medial konzeptionell
Während Franz Erhard Walther für das BOOK OF THE COMMON zu Bleistift, Pinsel und Farbe greift, sprachlich den Handlungsprozess seines Werkes markierend (siehe keine Fixpunkte im Raum, Plakat 2009), treibt Thomas Ruff den Rechnereinsatz auf die Spitze (siehe auch Dirk Baecker, 4.0 oder die Lücke die der Rechner lässt, 2018) und schickt ein mit moderner Apparatur gefertigtes geheimnisvolles Foto-Bild für das BOOK OF THE COMMON. Der Sindelfinger Junge, einst sinnierend auf den schweren Stein des Trinkwasserbrunnens von Ulrich Rückriem gestützt, entwickelt Konzeptkunst: ein literarisches Schriftstück Untitled In the realm of the mind wird mit einer bildhauerischen Arbeit, einer handwerklich selbst gefertigten Bronzeklammer, zusammengehalten.
Die Gestalt des KunstBuchs nimmt die Entwicklung der zeitgenössischen internationalen Kunst auf, folgt ihrer kontextuellen Präsentation in Sindelfingen und der Öffnung und dem Wandel ihrer Wahrnehmung. Es ist handwerklich aufwendig gestaltet und in einer Design Manufaktur fertiggestellt, die vornehmlich auch Verpackungen exquisiter Duftstoffe produziert.
Die Zeitkapsel, 25 Jahre KUNST+PROJEKTE Sindelfingen e. V.,
ist narrativ, verläuft nicht linear werkdokumentarisch,
sondern wendet sich den vielen Besonderheiten, Erinnerungen, Notizen
und dem Ringen der Künstler*innen während ihrer Arbeit in
Sindelfingen zu. Die rege Teilnahme der Tagespresse ist eingeflossen
(Stuttgarter Zeitung und Nachrichten, Sindelfinger Zeitung, Kreiszeitung
Böblinger Bote).
Kein Katalog im klassischen Sinne, sondern eine Collage,
ein Buchobjekt bestehend aus vielen Einzelelementen,
offen und flexibel handhabbar.
BOOK OF THE COMMON präsentiert sich in einer
aufklappbaren Hülle, bestehend aus 4 Teilen:
1. (links)
18 DIN A5 Hefte der frühen Jahre, 1989 – 2003, monographisch,
theoretisch ausgerichtet, pro Ausstellung ein Heft;
haptischer farbiger Einband. Künstlerische Impulse in knappem
montageartigem Fluss: ausgewählte Texte, Bilder und Presseartikel
aus den jährlichen Archivkästen.
2. (rechts)
12 DIN A1 Plakat / Katalogblätter der späteren Jahre,
2004 – 2016, für jede Ausstellung ein Katalogblatt, gefaltet
in Stecktaschen als Leporello ausziehbar, mit englischem Text
auf der Rückseite. Für den Zusammenblick in den
Gruppenausstellungen der unterschiedlichen internationalen
Künstler*innenpositionen bietet sich das DIN A1 Plakatblatt als
Diskursformat an.
3. (Einsteckmappe)
ein »poetisches« Büchlein mit Briefen, in denen Tagebuchaufzeichnungen,
Analysen, Interviews, Gedankensplitter etc.
in loser Folge und nicht chronologisch angeordnet aufscheinen,
die in den Heften und Katalogblättern keinen Platz fanden,
aber eine unterschwellige Stimmung des BOOK OF THE
COMMON anklingen lassen.
4. (Einsteckmappe mit Künstlereditionen)
Franz Erhard Walther – Zeichnung zum BOOK OF THE COMMON, 2018
Thomas Ruff – Saturn, Skizze 2017
Johannes Wald – Untitled (Forms in the Realm of the Mind), 2018