Projekt 2014
DIESE KUNST ∞ ∞ Generation APPS
Das Netz der lebenden Gestalt [Frei Otto]
25-Jahre KUNST+PROJKTE Sindelfingen e. V. Die Jubiläumsausstellung nimmt neue Bewegungen auf, die heute für künstlerische Erfahrungen bedeutsam sind. „in Orbit“, die wikipedische Cloud City, jenes Himmelsgespinst von Tomás Saraceno und jene digitalen Montagen der Netzaktivisten, deren Protagonisten keine Personen sind, sondern Bilder, Technologien, politische Systeme: Sie stehen für das wachsende Interesse am Diskurs einer jungen Generation APPS. Mit den ihnen vertrauten Mitteln sollen besonders junge Menschen Konzepte namhafter internationaler Künstler kennenlernen.
Einleitend: Die Generation APPS wird neben Arbeiten der Konzeptkunst der 60er Jahre gestellt. Die Ausstellung DIESE KUNST nimmt Bezug aufden Dialog zwischen Lawrence Weiner und Ulrich Rückriem von 1989 im öffentlichen Raum der Stadt Sindelfingen, erweitert mit der heute herausragenden Position von Thomas Ruff. Dies ergibt eine starke Reflexion zwischen den stringenten Konzepten der Kunst der Moderne und der zunehmenden Algorithmisierung und digitalen Reformatierung der künstlerischen Sprache der jungen Generation heute.
Wissenschaft entzaubert? Im Gegenteil! Die jüngsten Bilder von Thomas Ruff sind gänzlich am Computer entstanden. Sie zeigen in 3-D Technik gebaute Objekte, die in höchstmöglicher Auflösung komplett am Computer simuliert sind. Die brillanten Bilder erinnern an die historischen Fotogramme aus den 20er Jahren (László Moholy-Nagy), doch sind sie nicht nur sehr viel größer, sondern auch farbig. „Ich wollte einen Rekord brechen und das größte Fotogramm der Welt machen“, kommentiert Ruff mit einem Anflug von Ironie. Bedeutsamer ist indes, das Lichteinfall, Tiefenschärfe etc. technisch erzeugt sind. „Das ist ein bisschen wie in Platons Höhle, wo man nicht weiß, wie die Dinge in der Wirklichkeit aussehen“. Die Wissenschaftler im Kernforschungszentrum in Jülich, wo die Bilder entstanden sind, sahen zunächst nur die Daten, bis die Supercomputer ihnen die Bilder zeigten!
 Tomás Saraceno: Hybrid spiderweb
Work In Progress : Live Performance By A Duett Of SolitaryTegenaria Atrica Weaving On The Hybrid Web Instrument NGC 6872 Of Semi Social Cyrtophora Citricola and solitary Argiope Anasuja (Working Title), Sindelfingen 2014 - Foto: Tarek Musleh
Tomás Saraceno träumt von einem neuen Himmel und meint es mit seinen beweglich fragilen hybriden Netzen (Sphären, Netzen von lebenden Spinnen und künstlerischen Knüpfungen) auf spielerische Weise sehr ernst. Konkrete, schwebende Utopien – es geht um das, was er das „planetarische Gefühl von Zugehörigkeit“ nennt. Er hofft auf eine veränderte Gesellschaft getrieben von einem unbedingten Zukunftswillen – und sucht in der Technik einen Verbündeten (Saraceno hat die Schwerelosigkeit bei Projekten der NASA in Kalifornien erfahren, die Haltung von Frei Otto hat ihn inspiriert). Das Museum als Erfahrungsort im Umgang mit neuen Materialien, Konstruktionen und den Menschen – wenn sie plötzlich merken, wie abhängig sie sind: vom gewohnt Gefügten und auch voneinander.

Frei Otto und Tomás Saraceno, Nov. 2014
Frei Ottos Leitideen kreisen um die Gestaltungskraft der Natur, das Ephemere, Reduzierte, die Architektur am Rande des Immateriellen. Doch hebt er nicht ab ins Orbitale, wie heute Tomás Saraceno, seine Erfindung und Forschung gilt zwar leichten Flächentragwerken – Membranen, Seilnetzen, Gitterschalen und pneumatischen Konstruktionen, doch sein Interesse richtet sich vor allem auf eine umweltverträgliche, energiesparende, leichte mobile und anpassungsfähige Architektur auf Erden – in Deutschland wohl am bekanntesten die Dachlandschaft des Olympiastadions von 1972. Neben der Ausbreitung seines späten Vermächtnisses: „Das Netz der lebenden Gestalt“ in Schrift und Bild zeigen wir im Rahmen großer Bildtafeln seine skulpturalen Denkmodelle.

Christine Kanstiger erweitert das
Denkmodell eines Vierpunktnetzes in einer Rauminstallation zu einem farbigen Schattennetz: „Verzweigungsstudie auf einer doppelt gekrümmten Vier-Punkt-Minimal-Fläche“.
Christine Kanstinger: Farbiges Schattennetz
(2014)
Via Lewandowsky zusammen mit Ivo Wessel (Kunstsammler und App-Entwickler) erforschen mit wechselnden künstlerischen Medien, Bild- und Soundartelementen den Einbruch des Spontanen, Unerwarteten, Augenblicklichen und damit auch des Lebendigen. Wenn es heute heißt, im Leben Stellung zu beziehen, kommt man an den Überraschungen, die die digitale Welt des Internets bietet nicht vorbei. In geschickter Montagetechnik bieten künstlerische Filmessays, Videos, Apps eine scharfsinnige Analyse der schwindelerregenden Geschwindigkeit (circulary flux) mit der Bilder und alle Arten von Information zusammengestellt, verwandelt, zersprengt werden. Und so werden wir uns mit heutigen digitalen Geräten durch unsere Ausstellungen bewegen. Die Ausstellung und Weiterverbreitung ist ein aktives Umfeld der Generation APPS – essayistische Montagen, wiederkehrende Bilder, performative Konzepte unserer digitalen Wirklichkeit.
Erweitert wird dieses Experiment mit der ‘konstruierten Situation‘: „This is exchange“ von Tino Sehgal. Bereits 2004 im deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig vorgestellt (Goldener Löwe der Biennale Venedig 2013), ist diese Arbeit, die im performativen Umgang „die Differenz von Sagen und Tun ausstellt (…), die expliziteste im Hinblick auf Sehgals Auseinandersetzung mit Ökonomie und einer Kultur des Marktes“ (Dorothea von Hantelmann). Einst Schüler des Goldberg Gymnasiums Sindelfingen möchte Sehgal mit einer Gruppe heutiger Schüler seiner früheren Schule arbeiten.
Das Projekt Diese Kunst ∞ ∞ Generation APPS spannt den Bogen von der ‘klassischen‘ Konzeptkunst bis in die heutigen Kommunikationswelten der Generation APPS.
ibk
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