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Fama FLUXUS   Mythos BEUYS
Ausstellungseröffnung

Fama es – es geht das Sagen, dass der Fluxuskünstler George Maciunas erst spät im Angesicht des Todes noch heiratete, am Hochzeitstag mit seiner Frau die Kleider tauschte und so im wallenden weiblichen Gewand, im Verfließen seiner Lebenszeit, elegant und humorvoll absurd wie immer, den Ton angab.

Fama Fluxus oder das erzählende Reden der Menge.

Die Rede ist zunächst von einem litauischen Emigranten, der als Kind mit seinen Eltern vor den Russen aus Litauen floh, hier in Süddeutschland vorübergehend eine Bleibe fand und nach Ende des 2. Weltkriegs in die USA weiter zog. Sein Name ist George Maciunas, bekannt geworden als Namensgeber von FLUXUS.

Fluxus als Ausdruck für etwas Fließendes, für ein in Bewegung sein – und in Bewegung waren in den 50er/60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts viele junge Künstler, im Bewusstsein einer notwendigen Überwindung ihrer nationalen Enge, in Überwindung der Grenzen zwischen den Kulturen und den einzelnen Kunstgattungen.

Fluxus war zunächst gedacht als etwas, worauf man sich beziehen konnte und Maciunas nutzte seine New Yorker Galerie als Plattform für gemeinsame Veranstaltungen gleichgesinnter Künstler. Als ihm in New York das Geld ausging kam er nach Europa zurück, organisierte hier Festivals für avantgardistische Künstlerkollegen, um damit Material für seine geplanten Fluxus-Publikationen zu bekommen. Vor allem anknüpfend an Dada und fernöstliches Gedankengut, an Marcel Duchamp und John Cage, nahm Fluxus Abstand von den damals führenden Kunstströmungen Informel, Action painting und Abstraktem Expressionismus. Künstler, die sich Fluxus zuwandten, stellten sich gegen die herrschende Innerlichkeit und gegen eine realitätsferne, elitäre, selbstverliebte und an Verkauf orientierte Kunstszene.

Die Festivals erregten Aufsehen. Ganz besonders das Wiesbadener Fluxus Festival, das mit Maciunas Finanznot einhergehend, seltsame Blüten schlug. Maciunas berichtet seinem in New York zurückgebliebenen Freund: “Wiesbaden war schockiert, der Bürgermeister musste fast die Stadt verlassen, weil er uns den großen Festsaal überlassen hatte. Wir gaben sehr gute Konzerte, die Presse war sehr aufmerksam und Artikel erschienen in einigen Dutzend Zeitungen“.

Was war passiert, das die Leute so aufgebracht hatte?

Als der Koreaner Nam June Paik das Stück des Amerikaners La Monte Young „no. 10: Draw a straight line and follow it“ mit dem Kopf improvisierte: seinen Kopf in einen Nachttopf voll Farbe tauchte und dann mit dem farbgetränkten Schopf eine Linie über eine lange am Boden ausgerollte Papierbahn zog, ging das Publikum noch mit. Als dann aber einige Fluxuskünstler, einschließlich Maciunas, einen Steinway Klavierflügel mit Säge, Bohrmaschine etc. so malträtierten, dass er völlig zu Bruch ging, schossen die Emotionen hoch und sogar Maciunas’ Mutter verließ weinend den Saal vor Scham über ihren Sohn.

Und dabei war doch alles so lebensnah und aus dem Leben heraus zu erklären. Maciunas, der alles, was Fluxus betraf auch finanziell persönlich verantworten musste, konnte kaum so viel verdienen, wie Fluxus kostete. Also versuchte er bei jedem Konzert für das nächste zu sparen und setzte sich über die mitgebrachte Regieanweisung hinweg. Er hatte den Flügel für 5 Dollar beim Schrotthändler erstanden und um ihn wieder billigst zu entsorgen, war es am einfachsten, ihm im Konzert mit Steinbrocken, Säge und Bohrmaschine die allerschönsten Töne zu entlocken und dabei das gute Stück, wohl nicht rein zufällig, zu Kleinholz zu zerlegen.

Letztendlich war das aber doch ein Fluxus-Maciunas Ereignis, widersprüchlich wie das Leben, denn eigentlich forderte er für Fluxusstücke, dass sie nicht schockieren, sondern vor allem humorvoll sein sollten, komisch spaßig, selbstverständlich wie ein guter Gag.

Wie auch immer das Selbstverständnis von Fluxus war, die Fluxusfestivals haben europäische Künstler neugierig gemacht. So auch Joseph Beuys, seit 1961 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, wohin er die Fluxuskünstler postwendend zu einem Konzert einlud. Hier nun kam es zur ersten Begegnung von Maciunas und Beuys und gleich zum Eklat, weil Beuys erster Auftritt im Kreis der Fluxuskünstler durch Symbolhaftigkeit und Bedeutungsschwere so aus dem Rahmen der Fluxusvorstellungen fiel, dass Maciunas Beuys kurzerhand aus der Aufführungsliste strich. Für Fluxus zeichnete nun mal er verantwortlich. So sein Credo: Purge the World of Europäism.

Und was tat Beuys, der Maciunas und seine Kollegen so eindringlich nach Düsseldorf geladen hatte? Er umging gewitzt das offizielle Programm und ließ in einer Programmpause der Fluxusevents am nächsten Tag ein kleines mechanisches Spielzeug agieren, das er offenbar in der Spielzeugkiste seines Sohnes gefunden hatte: zwei beckenschlagende Musikanten rasselten lautstark auf dem für die Fluxusaktionen bereitgestellten Flügel zur Freude der Besucher.

Ja, das war Fluxus! Beuys hatte begriffen!

Und da diese Fluxusaktion so wunderbare Wirkung zeigte, bezeichnete er kurzerhand viele seiner Zeichnungen und Kleinobjekte in der Ausstellung im Stall der van der Grintens mit Titeln, die das Wort Fluxus mitführten (nachzulesen im Katalog in dieser Ausstellung).

Der Mythos Beuys? Beuys sah sich fortan herausgefordert, seinen Kunstbegriff zu erweitern, und das nicht nur ästhetisch, Aristoteles vor Augen. Im Rückblick zeigt sich, wie er seinen Aktionsradius ausweitete: der introvertierte Künstler suchte die Begegnung mit den Menschen, übte sich als Rhetoriker im Bewusstsein des politischen Menschen.

Ich freue mich sehr, dass sich die Zeichnungenausstellung der Galerie und unser Projekt Fama Fluxus Mythos Beuys sich so gut ergänzen und mit den Zeichnungen von Beuys und originalen Fluxus-Objekten die inspirierenden 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts aufscheinen. Ich freue mich für die Studenten und ihre Professoren, dass nach der Zeit der theoretischen Arbeit jetzt die Kunst ihre Imaginationskraft entfaltet. Herr Prof. Sauerbier hat uns seine Fluxuswunderkammer geöffnet und das Archiv Sohm der Staatsgalerie Stuttgart noch einige besondere Stücke aus Fluxus Maciunas Werkstatt beigesteuert.

Ich freue mich über die begeisternden Bezüge, die die jungen Künstler und Studenten der Seminare der Professoren Matthias Bleyl, Alex Jordan, S.D. Sauerbier zu Fama Fluxus Mythos Beuys erarbeitet haben, eingeschlossen die Gestaltung von Einladungskarten, Plakat und Faltblatt. Sie alle arbeiten auch an einer DVD, die das komplexe Projekt Fama Fluxus Mythos Beuys publizistisch begleitet, gut betreut von Michael Filser. Zuletzt haben sie im Workshop der vergangenen Woche Erfahrenes und Produziertes vorgestellt und heftig diskutiert.

Lehren und Lernen als Aufführungskünste. Fluxuskünstler haben nach dieser Devise gearbeitet, sie hat unseren Workshop beflügelt.

Ingrid Burgbacher-Krupka

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