Received: (p59.s.shuttle.de [194.95.249.59]) by stuttgart.shuttle.de (8.8.5/8.7.1)
Date: Sun, 23 Mar 1997 15:55:57 +0100
From: "k-p.galerie" (k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de)
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: Unterstellung
Des het mr gard no gfehlt
Friederike Anstett
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Received: from hermes.rus.uni-stuttgart.de (hermes.rus.uni-stuttgart.de [129.69.1.70])
Date: Mon, 24 Mar 1997 20:41:22 +0100
From: thomas loeffler (toem@studbox.uni-stuttgart.de)
Organization: institute for lightweight structures
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: die pluralskulkptur
die kunst sollte die macht haben, uns so zu erfrischen wie das schwimmen im leuze (winter) oder im berg (sommer), im gegensatz zum alltag des kunsthistorikers, der bevorzugt im trueben fischt. wir sind uns bewusst, kunst macht unsere zeit bewusst.
ute h. schueler
dina sonntag
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Received: from bud1.clever.net (root@bud1.clever.net [208.5.6.1])
Date: Tue, 25 Mar 1997 22:21:22 +0100
From: rolf spiess <100520.172@compuserve.com>
Organization: buero spiess
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: Die Plural-PLASTIK
Versuch einer Annäherung: - von Rolf Y. Spiess, Stuttgart/ Sindelfingen
1. Kunst hat die Macht!
2. ...aber die Zeit ändert die Wünsche
Ein am Computer bearbeitetes Selbstporträt von mir aus dem Jahr 1995 stellt vielleicht wieder neue Fragen:
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Received: from polhp5.in2p3.fr (polhp5.in2p3.fr [193.48.94.104])
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
From: marc@polhp5.in2p3.fr
Date: Wed, 26 Mar 1997 14:13:03 +0100 (MET)
antworten le desir desir d'amour desir de couleurs pour l'aveugle desir de sons pour le sourd desir=espoir=vie T out le monde R eve : A mour ou liberte U nion D e l'Allemagne E t de la France Peur-etre un jour.... Marc
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Received: from marilyn.plannet.de (root@marilyn.plannet.de [194.162.80.3])
Date: Thu, 27 Mar 1997 14:49:21 +0100
From: Thorsten Kull(hmk@netzraum.de)
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: Die Pluralskulptur
"Vereinigung der Gegensaetze."
HMK
hmk@netzraum.de http://netzraum.de/auge/hmk/
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Received: from berlin.snafu.de (root@www.snafu.de [194.121.224.3])
Date: Fri, 28 Mar 1997 19:29:56 +0100 (MET)
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
From: Martin Conrath/Marion Kreissler (mc.kreissler@berlin.snafu.de)
Subject: DIE PLURALSKULPTUR - re:Feedback
Wenn das einmal so waere, wuenschte ich mir, dass die Kunst dann auch ihr Versprechen
einhielte, Uebersetzerin zu sein.
(Die anschliessende Vorstellung, dass Kunst folglich den Part einer Simultandolmetscherin
uebernehmen koennte, machte Eigensprachlichkeit dann wieder interessant) Unterhaltung
- im kommunikativen Sinn - waere es allemal.
Martin Conrath
A MONTH IN ART ©®
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Received: from mailout01.btx.dtag.de (mailout01.btx.dtag.de [194.25.2.149])
Date: Fri, 28 Mar 1997 22:02:17 +0000
From: NN
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: wenn die kunst die macht hätte
ich würde mir wünschen, daß die kunst den menschen wieder die kraft gibt an sich zu glauben. ihnen diesen furchtbaren und ärgerlichen zukunftspessimismus aus der grün orientierten denke nehmen kann und ihnen das selbstvertrauen zurückgibt so dass AUCH eine umweltgerechte und umweltorientierte zukunft möglich ist. das erfordert aber auch verantwortung und die kraft und stärke fehler zu begehen und dafür gerade zu stehen. nicht zu denken, daß allein der gedanke an die zukunft schon der fehler ist.
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Date: Sun, 30 Mar 1997 15:54:01 +0200
From: "k-p.galerie" (k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de)
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: S.C.Gorzolka
Ruhelos ist die Zeit.
Ich wünschte, daß die Menschen objektiver, gerechter und menschlicher wären.
S.C.Gorzolka
Wendelsteinstr. 10
71067 Sindelfingen
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Message-ID: <333e7d57.1ca9@gerz.bb.shuttle.de>
Date: Sun, 30 Mar 1997 16:48:55 +0200
From: "k-p.galerie" (k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de)
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: Renate Aster-Gorzolka
Eine Welt ohne Gewalt und Kriege - eine Welt des Friedens.
Renate Aster-Gorzolka
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Message-ID: <333e7eea.7bc@gerz.bb.shuttle.de>
Wenn die Kunst die Macht hätte,
ihre Zeit zu verändern,
was würden sie sich wünschen?”
statt
einer Antwort eine entproduktive” Reaktion
auf die Pluralskulptur” von Jochen Gerz
Die Frage als Projekt
Zunächst ist nichts dagegen zu sagen, daß hier eine Frage öffentlich gestellt
wird - jedoch halte ich es für bedenklich, die Gesamtheit der erwarteten Antworten
schon im voraus zu einer Pluralskulptur” zu erklären und mit diesem
Begriff, der etwas bezeichnet, das es noch nicht gibt, als Künstler aufzutreten.
Ich verstehe den Aufruf des Initiators als: Gebt euer Bestes, ich habe
es bereits vereinnahmt”.
Es geht eigentlich nur um eine Frage, aber Gerz hat ein Projekt daraus gemacht. Eine solcherart in Szene gesetzte Aktion halte ich insofern für verlogen, wenn sie sich den Anschein einer Weltverbesserung gibt und doch kein echter Raum für eine freie inhaltliche Auseinandersetzung bleibt. Seine Skulptur steht als Zeichen und als Ersatz für den bereits im Ursprung verdrängten Inhalt einer Infragestellung. Dies liegt nicht etwa am Medium Computer, sondern daran, daß der Initiator lediglich die Plattform einer Funktion anbietet, von der aus eintreffende Antworten von ihm verbraucht werden. Hierbei scheint alles recht zu sein, wenn es nur dazu dient, die schlaffe Hülle einer leeren Form zu blähen.
Funktionale Ebene
Das Projekt ist von Anfang an mit seiner Subjektivität besetzt - trotzdem gibt
Gerz Objektivität vor, eine Offenheit für den Plural”.
Aus diesem Widerspruch heraus kann das von ihm erwünschte Wachstum, die Verbreitung
einer Diskussion, nur auf funktionaler Ebene vor sich gehen - denn er unterwirft
sich die Antwortenden und er verbraucht sie schon allein dadurch, daß er sie
zum Bestandteil einer willkürlich von ihm geschaffenen Form macht.
Inhalte müssen hierbei auf der Strecke bleiben, sie scheinen geradezu beliebig
und überflüssig im Raum zu stehen und können unter solchen Bedingungen weder
wirken noch verändern.
Das Projekt ist als Form einer Funktion konzipiert. Durch die erzwungene Zugehörigkeit
ist jede Antwort in diesem System als Untergeordnetes gefangen und unfrei, wie
auch jeder Antwortende, der sich Gerz als Mittel zum Zweck ausliefert, zum Opfer
geraten muß.
Kunst als Instrument
Die Frage stellt zur Diskussion, daß in unserer Zeit etwas nicht stimmt, implizit
sind Verbesserungen gefragt. Die Frage wird jedoch so gestellt, als ob nicht
genügend Instrumentarium vorhanden wäre, die Zeit zu ändern - als ob die Zeit
besser wäre, wenn es neue Möglichkeit zur Veränderung gäbe.
Aber es wird nicht zu wenig, sondern zu viel Einfluß auf die Zeit genommen.
Wie auch die Natur krankt unsere Zeit mehr darin, wie sie als zu Änderndes begriffen
und angesehen wird, nämlich als funktional zu ändernde und zu beeinflußende
Größe. Die Erscheinungsformen dieser Weltsicht umgeben uns inzwischen so vielseitig
und allumfassend, daß uns dieses Weltverständnis als selbstverständlich, als
vertraut, als eine pervertierte Form von natürlich” erscheint.
Kunst hätte die Chance, diese Weltsicht zu hinterfragen und den Menschen außerhalb
der Logik von Folgerichtigkeiten und der Erziehung zur Anpassung eine Empfindungswelt
anzubieten, in der sie sich ihre innere Bilder bewahren können. Kunst könnte
statt einer Funktion eine Heimat sein, in der alles reifen könnte, was in der
vom Vollzug der Funktionen besetzten Welt keine Nahrung mehr findet.
Gerz jedoch trägt dazu bei, die Kunst auf eigenartige Weise zu entwerten und
zu zerstören: einerseits begreift und verwendet er sie als mächtiges Instrument
und andererseits stellt er sie als Gesamtes immer wieder in Frage - nämlich
genau da, wo sie ihm seiner Weltsicht gemäß nicht funktional dienlich erscheint.
Versteckte Annahmen"
Bei genauer Betrachtung der Frage macht man eine interessante Entdeckung, denn
die Voraussetzungen der Frage bestehen nicht nur aus der formulierten Annahme
allein.
So werden zum Beispiel die Befragten aus ihrer Zeit herausgehoben - ihre Zeit
wird ihnen vorgehalten wie eine Baustelle. Ein solcher Zeitbegriff muß seinen
ganzheitlichen Charakter verlieren., weil er bereits vor der Beantwortung als
technisch-funktional definiert vorliegt.
Ähnliches gilt für die Kunst, wie sie hier verstanden wird, denn die Frage verändert
unmerklich die Begriffe Kunst” und Zeit”, indem sie die
Kunst” aus der Zeit” in einer Weise herausnimmt, als ob
Kunst nicht Teil der Zeit wäre.
Die unterstellte Möglichkeit, daß eine der Kunst zugesprochene Allmacht willkürlichen
Wünschen eines Einzelnen zugänglich sein könnte, läßt vielleicht auch Rückschlüsse
auf den Fragenden selbst zu. Dieser scheint sich ohnehin selbst zu interpretieren,
wenn man seinem globalen Wunsch nach möglichst vielen Antworten”
eine seiner Aussagen gegenüberstellt:
An der Zerstörung der Erde und unserer Geschichte hat die Sucht nach
übermenschlicher Grandiosität ihren Teil.”
Gerz will der Initiator einer Skulptur sein, die sich sozusagen um die ganze
Erde spannt und er hat den Anspruch, durch sein Tun die Kunst selbst zu verändern
- eine größere Sucht nach übermenschlicher Grandiosität” kann ich
mir kaum vorstellen.
Unklarer Inhalt
Die Frage ist so weiträumig formuliert, daß sie sich an der Grenze der Mißverständlichkeit
bewegt - die Frage klingt schon so, als ob es auf den Inhalt nicht ankommt!
Dies bleibt nicht ohne Folgen. Viele Antworten lassen vermuten, daß die Frage
falsch verstanden wurde, nämlich so, daß die Kunst nicht Mittel, sondern Objekt
der fiktiven Veränderung ist. Andere sehen sich dazu gezwungen, vor einer Antwort
zunächst einmal zu klären, wie sie die Frage verstanden haben.
Interessant ist auch, daß der Begriff Zeit” in den Antworten auffallend
oft funktionalisiert wird, zum Beispiel in der kurzen Antwort mehr Zeit
für Kunst”. Diese Antworten scheinen den Tenor aufzugreifen, der vom Projekt
ausgeht.
Deshalb kann man die Frage fast nur dann ernsthaft beantworten, wenn man in
irgendeiner Form zur Interpretation bereit ist. Naheliegender als ein solches
Zugeständnis an den Fragenden finde ich es, dem nachzugehen, was sich hinter
solcher Unklarheit verbirgt.
Wenn es Gerz nämlich mit dem Inhalt der Frage nicht so genau nimmt - und immerhin
ist die Formulierung der Frage sein einziger Beitrag - dann zeigt dies meiner
Meinung nach, daß er am Inhalt der Antworten kein sonderliches Interesse haben
kann.
Die Zeichen der Beliebigkeit deuten darauf hin, daß es mehr um eine Form des
Ablaufs als um einen Ort des Austauschs geht. Und der einzige, dem diese Form
nützt, ist Gerz selbst - unabhängig davon, mit welch schönen Gedanken und Absichten
er seine Aktion umkleidet”.
Weitere Bestätigung ist in diesem Zusammenhang, daß die Aktion bereits in den
USA stattgefunden hat und der englische Text zwar einen ähnlichen, aber dennoch
anderen Sinn hat.
Auch die verquälte Übertragung des Projektes von New York nach Sindelfingen
(nichts gegen Sindelfingen...) spricht dafür, daß es nur noch darum zu gehen
scheint, der einmal in Betrieb gesetzten Funktion neues Material”
einzuverleiben.
Dafür spricht auch, daß der Initiator in den USA weniger durch seine Frage als
durch seine aufdringliche Vorgehensweise aufgefallen ist (nur anbieten”).
Dort drängte er seine Frage den Internet-Benutzern so sehr auf, daß es schließlich
vielen solcherart Befragten Zeit und Mühe wert war, sein Projekt aktiv zu blockieren.
Es ist denkbar, daß sich Gerz darauf beruft, daß er die Frage bewußt mißverständlich abgefaßt hat, vielleicht will er eine Art soziales Experiment durchführen. Dadurch wären jedoch alle, die sich auf sein vorgetäuschtes Anliegen einlassen, zusätzlich entwürdigt, denn sie wären in noch größerem Maße als ohnehin schon gegeben Opfer seiner Vorstellung und Strategie.
Denkhaltung der Naturwissenschaft
Man muß sich verdeutlichen, wohin die Frage zielt und aus welcher Haltung heraus
sie gestellt wird, insbesondere halte ich die Verwendung des Begriffs Macht”
im gebotenen Zusammenhang für kritisch.
Der letzte große Auftritt von Machthungrigen mit globaler, edler Gesinnung ist
noch nicht lange her. Auch sie wurden von einem Künstler geleitet, der keiner
mehr sein wollte. Auch sie haben mit einem schwarz-roten Logo” gearbeitet.
Auch sie wollten die Welt, die Zeit bewußt verändern. Auch ihnen war die Umformung
und Anpassung der Kunst ein großes Anliegen. Sie haben die Menschen zum
Funktionieren” gebracht wie es vielleicht niemals zuvor gelungen ist.
Die Nächsten könnten vielleicht die Scientologen sein, wenn da nicht die Naturwissenschaftler
wären, die weltweit im unangefochtenen Besitz der Macht sind und trotz rasender
Geschwindigkeit nahezu unbemerkt eine schöne, neue Welt errichten.
Dies vollzieht sich auch und gerade dort, wo es nicht sichtbar ist: an und in
uns selbst, an unserer Art, zu Denken und zu Handeln. Und auch in der Kunst....
Unsere Sichtweise, unsere Kritikfähigkeit, unser Denken sind bereits so zerstört,
daß wir den Vollzug der Zerstörung nicht wirklich erkennen und daher nicht angemessen
reagieren können. Wo ein zerstörerisches System nur noch durch Handlungsweisen
in Frage gestellt werden kann, deren Denkbarkeit durch dieses System bereits
wesentlich eingeschränkt ist, da ist kein echter Widerstand mehr zu erwarten.
- Indem sich der Widerstand innerhalb der Grenzen des Infragegestellten bewegt
und indem er sich gleicher Mittel bedient, kann dieser Widerstand sogar Bestätigung
des scheinbar Angegriffenen sein.
So scheint die hier gestellte Frage harmlos” zu sein, sie wird jedoch
aus einer Denkhaltung heraus gestellt, die anmaßend und gefährlich ist. Diese
Denkhaltung ist eine neuzeitliche Erscheinung. Es ist die Denkhaltung derer,
die ihre Umwelt als Gerät, als reine Ansammlung von Funktionen betrachten. Es
ist die Denkhaltung der Moderne, der Technik, der Naturwissenschaft.
Was ich mit Haltung” meine, wird am Beispiel der Gentechnik besonders
deutlich. Man bedenke, welcher Wahn, welcher Anspruch dahinter steckt, wenn
sich Techniker aus der erbärmlichen Endlichkeit ihres Daseins heraus anmaßen,
eine Schöpfung zu verändern, die sich in Millionen von Jahren gefügt und geordnet
hat!
Das Funktionsdenken in der Kunst
Im Vorgang sieht man deutlich das Weltverständnis der Naturwissenschaft
in Bereichen der Kunst auftauchen. Das Funktionsdenken tritt in der Kunst ebenso
verbrauchend, verschlingend und vernichtend auf wie überall. Und auch hier wird
all das verändert, was von ihr berührt wird. Dies wird beispielhaft an Aussagen
deutlich, die Gerz in anderem Zusammenhang gemacht hat: er legt alles
Gewicht auf den Prozeß” und unterscheidet die Schaffensstufen Prozeß
und Ablage” - ein Sprachgebrauch, der für sich selbst spricht. Noch deutlicher
formuliert er seine Absicht als die Möglichkeit, jemand, der da läuft,
in irgendeiner Art zum Funktionieren zu bringen”. (in irgendeiner!)
Wo funktionales Denken vorherrschend wird, da kann auch Sprache nicht mehr
zum Denken außerhalb funktionaler Logik dienen, wozu sie als Bild der Wirklichkeit
in der Lage wäre - sie wird zum kühlen Instrument degradiert, das nur noch dazu
dient, Realität beliebig abzubilden (Pluralskulptur”) oder
wird zum Objekt beliebiger Willkür (Kulchur”).
Auf seinen Sprachgebrauch angesprochen, hat Gerz seine begriffliche
Willkür mit dem Wandel von Sprache und jeglicher Definition” gerechtfertigt.
Er rechtfertigt also einen Akt der Zerstörung mit bereits Zerstörtem! Somit
vollzieht er auch in der Art seiner Rechtfertigung die Art und Weise nach, wie
oft auch Naturwissenschaftler ihr zerstörerisches Tun verteidigen.
Möglichst viele Antworten
Der funktionale Charakter des Projektes zeigt sich auch an äußeren Erscheinungsformen.
Indem die Betreuung des Projektes einen Schwerpunkt darin hat, wieviele Antworten
von wo bereits eintrafen. (Bei einer ähnlichen Aktion forderte der Initiator:
Wir wollen möglichst viele Antworten haben”), scheint mir dies mehr
nach Vielzahl als nach Vielfalt zu klingen.
Auch das Aufhängen gedruckter Antworten an einer Wäscheleine und die Präsentation
der Computeranlage in einem hohen Turm aus Metallprofilen und Gitterdraht sehe
ich als bildgewordene Gleichnisse eines Tuns, die aus der Welt der Funktionen
grüßen lassen.
(Der Turm erinnert mich übrigens frappierend an den Hasenstall meines Opas -
auch dies ein Container für den Verbrauch des Lebendigen?.)
Unterwerfung unter eine Art Ritual
Kunst beschränkt sich heutzutage oft auf das Setzen von Reizen und auf die Vorführung
bloßer Funktion. Gerz geht noch einen Schritt weiter: er fordert darüber hinaus,
daß andere Teil seiner Funktion werden.
Wie oben bereits angedeutet, ist die Äußerung eines Wunsches in dem von ihm
geschaffenen Zusammenhang nur möglich, indem man sein Weltverständnis und seinen
Machtanspruch in der Antwort nachvollzieht. Doch für die Illusion der Macht
wird eine Prämie verlangt, denn die Teilnahme erzwingt eine Unterwerfung unter
die von ihm gesetzten Zeichen, man muß sich als Teil der Funktion Pluralskulptur”
von Gerz verbrauchen lassen.
Die Skulptur wurde von Gerz selbst als Unfertiges” bezeichnet. In allen Mythen ist es so, daß das Unfertige das Lebendige als Opfer braucht. Das Unfertige ist nicht aus sich voll lebensfähig. Seine unvollständige Ausbildung findet seine Parallele oft darin, daß es keine Endlichkeit und keine Grenzen kennt, als ob damit der Zustand des Unfertigseins kompensiert werden könnte. Als Ausgleich sucht es die Gewalt über das Lebendige, das Vollständige, aber es bleibt unfertig. Wo es ihm gelingt, Lebendiges zu unterwerfen oder zu vereinnahmen, dort wirkt es zerstörend - denn das einzige, was ihm gelingen kann, ist die Übertragung des Prinzips der Zerstörung in der Form eines gelungenen Übergriffs. Man darf das Unfertige nicht mit etwas Wachsenden oder Werdenden verwechseln: das Projekt ist nicht so angelegt, daß es als Lebendiges wachsen kann oder soll. Schwerpunkt des Projektes ist nicht ein inhaltliches Anliegen, noch nicht einmal die Frage selbst, Schwerpunkt ist die Präsentation der Frage, das Vorzeigen, das Präsentieren, die Verbreitung, die Werbung und die Erscheinungsform als vorgestellte Skulptur.
Man kommt Gerz meist auf der Ebene entgegen, auf der er agiert. Dies betrifft
nicht nur einen Teil der Antworten, sondern auch Presseberichte, wo es zum Beispiel
heißt: Jetzt kann man um die weite Welt im Internet surfen und dabei gleichzeitig
Kultur tun”.
Andere Teilnehmer lassen sich von seinen Zeichen verlocken und geben ihm ein
Stück von ihrer Seele. Ihre Hoffnungen und Wünsche, etwas aus ihrem Innersten,
liefern sie seiner Vorstellung aus, einer Form ohne Leben.
Ein Zitat
Friedrich Georg Jünger sagt in Die Perfektion der Technik”:
...Sie vernutzen schon, was dieser Mensch noch an Zukunft hat. Sie konsumieren seine Möglichkeiten von vornherein. Und sie tun das mit der wissenschaftlich ernsten Miene des Mannes, der eine Frage stellt. Der Zugriff aber liegt in der Fragestellung; durch die Fragestellung bekomme ich den Menschen in die Hand. Er weiß das nicht, denn er gibt willig Antwort, woraus zu schließen ist, daß er dem Vorgang der Ausbeutung, dem er unterworfen wird, zustimmt. ...” |
Mein Text ist der Versuch, eine Antwort zu geben, ohne mich vernutzen”
oder konsumieren zu lassen.
Zur Frage selbst ist noch zu sagen, daß ich es bereits für bedenklich halte
(wenn auch manchmal für unumgänglich), im künstlerischen Tun eine Absicht zu
haben. Erst recht halte ich jeden Machtanspruch für falsch, gerade von Seiten
der Kunst. Kunst besteht für mich darin, die Welt zu tragen, wie sie ist und
als Künstler einen Teil als Erlebtes hinzuzufügen - was auch Infragestellung
des Bestehenden sein kann und was auf diesem Weg auch ändern kann und darf.
Böblingen, den 29.3.1997 Ralf Haufe http://www.Ralf-Haufe.de
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Received: from 194.95.249.42 (p42.s.shuttle.de [194.95.249.42])
Date: Tue, 01 Apr 1997 20:39:11 +0900
From: frank <100566.3420@compuserve.com>
To: k-p.galerie@gerz.bb.shuttle.de
Subject: pluralskulptur
Das Flämmchen der Erwartung züngelt...
Der Wunsch von Jochen Gerz?
Zwei Dinge macht das Kunstwerk. Es bestätigt eine Vorstellung von Qualität,
Emotion, Verständnis beim Betrachter, und zugleich tut es das Gegenteil: Es
stellt diese Vorstellung in Frage - und zwar radikal. Das führt zu einer explosiven
Mischung, die im Betrachter Erinnerung auslöst. Eine solche Arbeit macht also
Vergessen sichtbar, und zugleich ist sie der Stoff, aus dem zukünftige Dementies
sind.
Kunstzeitung Nr.7/März 1997
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Received: from 194.95.249.42 (p42.s.shuttle.de [194.95.249.42])Wenn die Kunst die Macht hätte, was...
Was würde/wäre geschehen, wenn...
Das klingt wie die spekulative heilige Geschichte des Mittelalters.
Strategien, die Kunst und Theologie vermischen? , sind mir unangenehm.
Hildegard Ruttig